Auch in Österreich steigt die Zahl der sog. Patchwork-Familien – laut Statistik Austria sind rund 10 % der Lebensgemeinschaften mit Kindern Patchwork-Familien. In absoluten Zahlen ausgedrückt, entspricht der Prozentsatz in etwa 86.000 österreichischen Familien, in denen eine Stiefeltern- bzw. Stiefkindbeziehung besteht.
Jede 10. Familie in Österreich ist eine Patchwork-Familie
Als Patchwork-Familie wird ein Familienverband definiert, in den die Eltern ihre Kinder aus früheren Ehen oder Beziehungen ohne Trauschein mit einbringen. Nicht zuletzt die steigenden Scheidungsraten führen dazu, dass diese Familienform häufiger wird.
Konfliktherde gibt es in Patchwork-Familien so einige – schließlich treffen hier zwei ehemals vollkommen unterschiedliche Familiengefüge aufeinander. Gerade zu Beginn, wenn der neue Lebenspartner und evtl. auch sein Kind in die Familie eintreten und ein gemeinsames Nest gebaut wird, ist Zeit gefragt. Es dauert, bis sich die neuen Familienmitglieder kennenlernen, bis Vertrauen und Zuneigung entsteht.
Das Alter der Kinder ist auschlaggebend
Wie schwierig diese „Eingewöhnungsphase“ wird, hängt allerdings nicht nur von Charakter und Sympathie ab, sondern auch vom Alter der Kinder.
- Babys und Kleinkinder bis drei Jahren können Trennungen leicht verkraften und gewöhnen sich schnell an eine neue Bezugsperson.
- Kindergartenkinder sind da meist schon skeptischer. Sie erleben die Trennung bewusst mit und geben sich u. U. selbst die Schuld dafür. Typische Reaktionen auf einen neuen Partner sind Eifersucht und Wut.
- Kinder zwischen 6 und 12 Jahren leiden unter schweren Loyalitätskonflikten. Akzeptieren Sie den neuen Lebenspartner, „verraten“ Sie Mama oder Papa. Hier müssen Bonuseltern besonders viel Geduld gegenüber dem Kind mitbringen.
- Kinder ab 14 Jahren können die Trennung ihrer Eltern meist rational nachvollziehen und auch eine neue Bezugsperson besser akzeptieren.
Tipps für einen guten Start mit der „neuen“ Familie
Einige Tipps von Familientherapeuten für Patchworkfamilien:
- Vertrauen braucht Zeit
Nähe und Vertrauen entwickeln sich bei jedem in ganz eigenem Tempo. Die Liebe zu den Kindern des neuen Partners entsteht nicht von einem Moment zum anderen, sie benötigt Raum und Zeit. Damit eine Beziehung langsam wachsen kann, sollten Mutter und Vater möglichst offen und mit nicht allzu hohen Erwartungen in den neuen Lebensabschnitt starten. Familientherapeuten empfehlen, dass zwischen Trennung und zusammenziehen etwa zwei Jahre vergehen sollten.
- Gemeinsam Regeln für das neue Zuhause aufstellen
Wesentlich für ein harmonisches Zusammenleben sind Regeln. Deshalb ist es ratsam, für das neue Zuhause Regeln zu definieren, an die sich alle orientieren können. Die „neuen“ Eltern sollten hier möglichst an einem Strang ziehen und gemeinsam definieren, welche Verhaltensweisen der Kinder in Ordnung sind und welche nicht akzeptiert werden können.
Ein verbindliches Regelwerk für die Patchworkfamilie bzw. für das Zuhause hilft dabei, alle Kinder gleich zu behandeln. Diese haben nämlich meist sehr gute Sensoren für Ungerechtigkeiten – auch wenn sie noch so unscheinbar sein sollten. Aus scheinbaren Bevorzugungen können sich schnell größere Konflikte entwickeln. Deshalb raten Psychologen, alle Kinder so gerecht und geregelt wie möglich zu behandeln.
- Heute ist Familienkonferenz! Konflikten Raum geben
Zu einer Beziehung gehören Konflikte. Wichtig ist nur, wie diese gelöst werden: In einem möglichst respektvollem Gespräch? Mit Schreien und Drohungen? Auch ein Streit darf ab und zu sein. Wichtig ist vor allem, dass Stiefeltern und -kinder offen aussprechen, was nervt oder stört. Auch Kinder haben das Recht, zu kritisieren und ihre eigene Meinung zu einem bestimmten Thema einzubringen. Dafür sollte ein möglichst ruhiger Rahmen geschaffen werden. So kann beispielsweise einmal pro Monat eine „Familienkonferenz“ tagen: Dabei werden die wesentlichen Konflikte angesprochen und gemeinsam wird versucht, eine Lösung zu finden.
- One for all – das muss nicht sein
Um einer neuen Familie „Stand“ zu geben, versuchen die Stiefeltern häufig, gemeinsame Erlebnisse zu schaffen. Grundsätzlich sind diese auch wichtig und richtig, schließlich verbinden Ferien in der Natur oder ein Ausflug zur Sternwarte tatsächlich. Es muss allerdings nicht sein, dass immer alles gemeinsam unternommen wird. Es braucht auch die Zeit und den Raum, vertrauensvolle Beziehungen zwischen den einzelnen Mitgliedern der Patchworkfamilie herzustellen. So ist nichts dagegen einzuwenden, auch einmal nur mit den „leiblichen“ Kindern etwas zu unternehmen.
- Eine zweite Chance, ein tolles Vorbild zu sein
Eltern sollten sich vor Augen halten, dass sie mit der Patchwork-Familie nun eine zweite Chance erhalten, ihren Kindern Liebe und Partnerschaft vorzuleben. Das muss nicht völlig konfliktfrei ablaufen, doch so harmonisch wie möglich. Wenn Kinder mitbekommen, wie Eltern sich streiten, sollten sie auch mitbekommen, wie sie sich wieder versöhnen.
Um sich auf diesen Neustart gut vorzubereiten, kann beispielsweise eine Paartherapie hilfreich sein. Auch ist es nötig, mit der Vergangenheit abzuschließen und schwierige Ereignisse, wie etwa eine Scheidung, tatsächlich hinter sich zu lassen. Das heißt auch, negative Gedanken gegenüber dem Expartner aufzulösen und im Idealfall eine neutrale Beziehung bzw. sogar eine Freundschaft aufzubauen. Es ist wichtig, auf einer anderen Ebene ein neues Verhältnis aufzubauen umso ohne Groll eine konfliktarme, gemeinsame Elternschaft zu führen – auch wenn man nicht mehr zusammen ist.
- Zeit zu zweit einplanen
Wenn beide Eltern Kinder in die Familie miteinbringen und diese Kinder noch mit einem Elternteil außerhalb der Familie regelmäßigen Kontakt haben, nimmt die Organisation des Familienalltags oft viel Zeit ein. Nichts desto trotz sollten sich Paare ganz bewusst Zeit zu zweit nehmen: Spazierengehen, ausgehen essen, an einen See fahren und vor allem miteinander reden. Im Idealfall reservieren sie sich einmal im Jahr vier, fünf Tage nur für sich. Eine kurze Auszeit kann oft Wunder wirken!
- Bonuseltern statt Stiefeltern
Wenn Eltern neue Partner finden, dann sind die Kinder oft weniger begeistert. Patentrezepte, wie Kinder die neuen Stiefeltern besser akzeptieren, gibt es keine. Es kann aber helfen, den neuen Partner schon im vorneherein mit positiv zu besetzen. Dies gelingt etwa über die Sprache: Sprechen Sie von Bonuseltern statt von Stiefeltern. Machen Sie ihren Kindern klar, dass Papa immer Papa bleibt, und der neue Mann an ihrer Seite ein tolles Plus ist.
- Realistisch und geduldig bleiben
Klingt alles ganz schön, in der Praxis ist es aber trotzdem schwierig? Vieleltern-Familien beinhalten nun einmal mehr Konfliktstoff, als der klassischen Familie sowieso schon innewohnt. Von romantischen Idealvorstellungen kann man sich also schnell verabschieden.
Quellen:
https://www.familienberatung.gv.at/eltern-sein/patchwork-familien/