Die „Indian Woman“, die Frauen in Indien sind durch die Ereignisse der letzten Monate in den Fokus der Medien gerückt. Immer wieder hört man von Übergriffen und Gewalt. Was sind die Ursachen für diesen Wahnsinn?
„Wir sind Frauen ohne Zukunft“ – dies ist der letzte Satz, den eine Schülerin, die sich, nachdem sie vergewaltigt wurde, selbst angezündet hatte, sagte. Dass die Lage für die Frauen in Indien äußerst kritisch ist, erfuhr die Welt 2013, als eine Frau von fünf Männern brutal vergewaltigt wurde und anschließend ihren Verletzungen erlag. Eine Debatte über die Rechte von Frauen brach los, die indische Regierung verschärfte die Gesetze für sexuelle Übergriffe. Doch die neue, harte Linie der Regierung hat die Situation für Frauen in Indien kaum verbessert – noch immer ist die „Indian Woman“ Diskriminierungen ausgesetzt, immer neue Fälle von sexueller Gewalt erschüttern das Land.
„Indian Woman“ ist oft nichts wert
Doch worin liegen die Gründe für diese alltägliche sexuelle Gewalt? Experten sehen diese vor allem in der verbreiteten patriarchischen Gesellschaftsordnung. Schon von Geburt an sind Mädchen weniger erwünscht als Jungen: Wird ein Mädchen verheiratet, müssen die Eltern Mitgift bezahlen, die Tochter lebt und arbeitet fortan im Haus der Schwiegereltern. Für die Eltern, die in ihre Kinder „investieren“, ein herber Verlust. Oft ist „ Indian Woman “ eine Art Gebrauchsgut, das weitergereicht wird. Angestrebt wird die Geburt von möglichst vielen Söhnen. Auch wenn die indische Verfassung die Gleichberechtigung für Mann und Frau vorsieht – in der Realität sieht es oft anders aus. Zudem gibt es eine eklatante juristische Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, z.B. beim Sorgerecht oder bei Erbschaften – trotz der verfassungsrechtlichen Gleichstellung.
Korruption und Traditionen
Die sexuelle Gewalt gegen Frauen in Indien hat auch strukturelle Ursachen: Die Korruption blüht, allzu oft werden Anzeigen wegen Vergewaltigung nicht weiter verfolgt, sie verlaufen im Sand. Zudem werden Belästigungen oft nicht angezeigt, weil sie die Ehre der Familie „beschmutzen“ – und anschließend kein Ehemann mehr gefunden wird.
Frauenaktivistinnen fordern Aufklärung und Widerstand
Doch es regt sich Widerstand: Die „Indian Woman“ ist nicht mehr bereit, Benachteiligung und Demütigung über sich ergehen zu lassen. Mit Hilfe von ausländischen Organisationen fordern Frauenaktivistinnen härtere Strafen für Vergewaltiger und wollen die patriarchalen Rollenbilder abstreifen. Immer mehr Frauen schaffen eine gute Ausbildung, orientieren sich am westlichen Lebensstil und wollen als Frau und Mensch respektiert werden. Immer mehr indische Frauen arbeiten in den Zweigstellen multinationaler Unternehmen, haben gute Jobs und gewinnen so finanzielle Unabhängigkeit. Frauen wollen sich den überholten Traditionen nicht mehr beugen und treten gegen die Apathie des Staates an.
Komplexes und vielschichtiges Land
In Indien existieren zahlreiche Realitäten nebeneinander – das riesige Land ist komplex, unterschiedliche Entwicklungen und Überzeugungen prägen die größte Demokratie der Welt. Sicher ist, dass immer mehr Menschen den Sprung in die Mittelschicht schaffen und dass sich das Rad nicht mehr zurückdrehen lässt. Ob Indien im 21. Jahrhundert eine bedeutende Rolle in der Welt spielt, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob das Land überkommene Denkweisen hinter sich lassen kann und ob der weiblichen Hälfte des Milliardenlandes der nötige Status und Respekt zukommt. Die Aktivistinnen sind sich jedenfalls einig: Die Diktatur der Männer soll zu Ende gehen.